vor 60 Jahren
Für Athen sind für Mitte der Woche Temperaturen von 43 Grad Celsius vorhergesagt. Damit wird mein im Folgenden beschriebens Erleben aus dem Sommer 1963 deutlich übertroffen. Ja, es muss fast wie einen Idylle wirken.
Ich mag die Wärme, ja sogar Hitze … , vor allem wenn ich ihr tagsüber ausweichen und nach Sonnenuntergang laue Nächte genießen kann. Was gibt es Schöneres, als bis Mitternacht im Kurzarmhemd auf den oberen Stufen der Cavea eines antiken Theaters den ermahnenden Chor einer griechischen Tragödie zu hören. Das kann man sommers an mehreren Orten in Griechenland genießen, zum Beispiel in Dodona, Epídavros oder sonstwo. Ich denke jetzt an eine Augustnacht im Theater des Herodes Atticus am Südhang der Akropolis von Athen im Jahr 1963. Das war vor fast genau 60 Jahren. Meine Erinnerung gilt den Temperaturen, die in jenem Sommer auf der Peloponnes die 40-Grad-Grenze überschritten und in Athen die Nachttemperaturen nicht unter 30 Grad sinken ließen. Ich hatte so etwas noch nicht erlebt. In unseren Breiten gab es das nicht. Das ist inzwischen anders.
Für mein sechsmonatiges Volontariat hatte ich ein Zimmer in der Στασινού gemietet, sehr zentral, nur sechs Fußminuten vom antiken Stadion entfernt. Das Büro am λεωφόρος Βενιζέλου erreichte ich durch die königlichen Gärten Richtung Benaki-Museum und Syntagma / Πλατεία Συντάγματος. Auf dem frühmorgens noch angenehm frischen Weg erstand ich immer ein oder zwei frische κουλούρια, diese leckeren Sesamkringel als Frühstück.
Für meine Vermieterin war es selbstverständliche Gewohnheit, im Sommer Teppiche und Winterkleidung gegen Mottenfraß mit Naftalin zu bepudern und dann ins Kühlhaus zu bringen. Die höchsten Temperaturen brachte der August. Als ich eines nachmittags nach Hause kam, saß die Großmutter vor dem offenen Kühlschrank.
Wie bei der Hitze schlafen? Der Platz auf dem Flachdach war schon belegt. In den zwei bis drei heißesten Wochen folgte ich dem Rat er Hausfrau: Vor dem Schlafengehen lauwarm duschen. Sich ohne abzutrocknen auf das Bett legen und versuchen unter der Verdunstungskälte einzuschlafen. Es klappte meist. Wenn nicht, musste ich die Prozedur wiederholen.
Einen so exotischen Sommer habe ich seitdem nicht wieder erlebt. Er blieb für mich eine Ausnahme. Und wenn ich beim späteren In-der Welt-Herumwandern gelegentlich ähnliche Temperatuen erlebte, halfen Klimagräte. In diesen Tagen des an unsere Breiten heranrückenden Mittelmeerklimas mit Tagestemperaturen in den oberen Dreißigern holt mich die Erinnerung an die in Athen erlebten Ausnahmewochen wieder ein. In der Umgebung von München gelingt mir zur Zeit noch mit nächtlichem Luftaustausch ein erträgliches Wohn- und Schlafklima. Ich denke noch nicht an die Möglichkeit einer ungeliebten Air Condition. Aber wie lange noch?
Nach 60 Jahren
Zufall oder zwangsläufiges Ereignis? Kaum hatte ich die vorstehenden Zeilen beendet, musste ich lesen: “Wald- und Buschbrände in der Nähe von Athen” “Nach mehreren Tagen mit Temperaturen über 40 Grad und einer längeren Trockenperiode hatten heute in Griechenland starke Winde eingesetzt.” “Die Autobahn zwischen Athen und Patras wurde wegen starker Rauchentwicklung gesperrt, mehrere Badeorte evakuiert.” Wenige Tage später mussten 20.000 Leute auf Rhodos vor Walddbränden evakuiert werden. Das Klima läuft uns aus dem Ruder.
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