Wer war Walther Bachmann?
Für die Ribnitzer war er zwischen 1934 und 1945 der größte Arbeitgeber, für das Dritte Reich ein wichtiger, wenngleich gelegentlich unangepasster Rüstungsindustrieller, für seine Mitarbeiter offenbar ein ordentlicher Chef, für den kleinen Peter ein stolzer Vater, für den anderen Peter und seine Familie der bewunderte Onkel Walther.
Von uneingeschränkter Bewunderung, zu der wir heute eine natürliche Distanz empfinden, zeugt u.a. auch ein Satz aus dem Tagebuch seiner Schwester Erika, das sie während des ersten Weltkrieges in Deutsch Südwestafrika verfasste.
“November 1916 – […] es kam ein
Brief von Großmama u. Onkel Walther. Er war inzwischen Offizier geworden , hatte das Eiserne Kreuz I. + II. Klasse. Er hatte ein engl. Großkampfflugzeug abgeschossen und vom Kaiser das EK I persönlich erhalten. Die Nachricht war zwar 7 Monate unterwegs, aber die Freude doch sehr groß und die Jungen waren nun natürlich noch stolzer auf ihren Onkel.”
Diese Aussage muss man zunächst ohne vorschnelle Wertung auf sich wirken lassen. Sie spiegelt zeitbedingt, wie ich denke, Einstellung und Empfinden vieler Deutscher wieder, zumindest derjenigen, die der bürgerlichen Schicht des Landes zuzurechenen waren. Auch Erikas Mann hatte sich ja nach dem Angriff “des Engländers” in Südwest freiwillig zur Schutztruppe gemeldet.
Jetzt hat Edwin Sternkiker über das Ribnitzer Flugzeugwerk und seinen Gründer, Betriebsleiter und Geschäftsführer ein erhellendes und dazu noch spannend zu lesendes Buch vorgelegt.
Sternkiker, Edwin: Doppeldecker und Strahlbomber über Ribnitz, Die Walther-Bachmann-Flugzeugwerke 1934 bis 1945, Rostock 2010.
In der Literatur fanden die Bachmann-Werke bereits früher Erwähnung. Uwe Johnson erwähnt sie in seinen 1971 herausgekommenen Jahrestagen zweimal, S. 946 und S. 968. Allerdings war das zitierte Unternehmen zu dieser Zeit bereits so weit Geschichte, dass es in einer Analyse von Johnsons Werk heißen konnte, “Auch die ‘Luftwaffenerprobungsstelle Rechlin’, die Cresspahl ausforscht, gibt es, desgleichen die ‘Arado-Werke’, wohingegen die ‘Walther-Bachmann-Flugzeugwerke’ bei Ribnitz dann doch eine Erfindung sind.” (Hierzu hat sich der Autor später korrigiert.) Dass die damals noch vermeintliche Fiktion Realität war, hätten die Ribnitzer schon immer bezeugen können. Sternkiker aber ist es mit detaillierten Recherchen zu Produktionszahlen, Finanzen und anderen Wirtschaftsfakten gelungen, weit über die Erinnerungen von Zeitzeugen hinauszugehen.
Natürlich ist es für mich schwer, hinsichtlich der Person des Großonkels objektiv zu sein. Aber vor dem Hintergrund meiner gesammelten Informationen, der Erzählungen im Familienkreis und kleiner eigener Erinnerungsschnipsel wage ich das Urteil, dass der Autor der Persönlichkeit des Unternehmers Walther Bachmann (1889-1966) doch wohl gerecht geworden ist. Darüberhinaus reichende schöne Erinnerungen der Familie, die den Menschen Bachmann anfassbarer machen, gehören noch nicht in die Öffentlichkeit.
post scriptum
Bei Familie und Freunden stelle ich mein schräges Hobby, die Familienforschung, gerne als Kompass vor, mit dem ich meine Reiseziele orte und in Gegenden gelange, die ich ohne solche Orientierung nie besucht hätte. Ich kann diese Idee nun um die Literatur erweitern. Gerade habe ich die Jahrestage wieder zur Hand genommen und dabei auch den großartigen Kommentar gefunden, der auch als Internetversion zur Verfügung steht. Wunderbar! (http://www.philfak.uni-rostock.de/institut/igerman/johnson/johnkomm/0/jahrestage.html)