Der wohl wichtigste Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Mitteldeutsche Familiengeschichte befasst sich unter dem Titel “Auswandererbriefe als kommunikative Brücke” (S. 65-84) mit Auswanderer-Briefsammlungen nicht nur als Quellentyp für die Familienforschung, sondern als wichtiger Quellengattung für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen.
Mit Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, Lehrstuhl füt Internationale Geschichte der Uni Trier, hat die Schriftleitung wieder eine Autorin gewinnen können, die uns Familienforschern ein hilfswissenschaftliches Thema umfassend vorstellt. Dieser Beitrag setzt nach meiner Beobachtung die Reihe wichtiger grundsätzlicher Beiträge fort, von denen mir aus überschaubarer Zeit die Aufsätze von Dr. Stanislaw-Kemenah zur Quellengattung Supplikationen (ZMFG-Heft3/2010) und von Dr. Kunze zu Leichenpredigten (Heft1/2011) in frischer guter Erinnerung sind. Solche grundlegenden Darlegungen geben der ZMFG ein, wie ich meine, starkes Profil. Und es ist sehr zu wünschen, dass diese Reihe fortgesetzt wird.
Frau Lehmkuhl holt die Auswandererbriefe aus der Ecke gefälliger Illustrationen für Familiengeschichten heraus und räumt auch mit dem Vorurteil auf, die Briefeschreiber hätten oft zu positive Beschreibungen der neuen Verhältnisse gegeben, um eigenes Scheitern schön zu reden. Solche Erkenntnisse lassen die rund 12.000 Briefe der Bochumer Auswanderer-Brief-Sammlung (BABS) sowie die Auswanderer-Briefsammlung der Forschungsbibliothek Gotha (NABS) mit rund 10.000 Briefen zu.
Natürlich wird der Wunsch des einzelnen Familienforschers, solche Dokumente für die eigene Familie zu finden, selten in Erfüllung gehen. Aber auch für diesen können die Briefsammlungen ein Erkenntnisgewinn sein, wenn er Schilderungen von Situationen findet, die ähnlichen Erlebnissen der eigenen Familie nahe kommen.
Besonders faszinierend ist das Projekt zur Auswandererfamilie Bohn, das auf einer Serie von 201 Briefen des Zeitraums von 1852 bis 2005 aufsetzen kann.
Wertvoll für alle, die sich mit Auswandererforschung befassen, dürften die umfangreichen bibliographischen Angaben zu dem Themenfeld Auswandererbriefe sein. Weiteres unter http://www.auswandererbriefe.de/kooperationspartner.htm
PT