Das geraubte Antlitz

“Das menschliche Gesicht ist maschinenlesbar geworden – ein Übergriff, dessen Ausmaße nur langsam deutlich werden.”
Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung denkt Jörg Häntzschel heute über die Verfahren zur Gesichtserkennung und ihre bisher wohl unterschätzten Auswirkungen nach. Ein wirklich lesenswerter Artikel.
“Der alte Bürokraten- und Despotentraum, Person, Name Bild aller Bürger zu verlinken, steht kurz vor der Wirklichkeit.”
“Und gerade jetzt, wo das Gesicht eine ungeahnte Konjunktur erlebt. […] ; wie ein Wappen tragen wir es auf Facebook und Twitter vor uns her.”
Bei neuen Kommunikationsangeboten im Internet war ich meistens anfangs mit Alias-Namen unterwegs. Die Bilderkennung bei Facebook, Google & Company versuche ich immer abzuschalten. Erst langsam kam ich kürzlich aus der Deckung. Denn ich fand es immer ein wenig unanständig, sich mit geschlossenem Visier zu äußern.  Auf mein ganz vorsichtiges Coming-Out mit einem ein wenig verfremdeten Porträt postete ein Kollege postwendend ‘Muss das sein?’ Ich bin eigentlich kein Schwarzer Ritter. Oft höre ich ‘Ich habe doch nichts zu verbergen!’ Das mag ja stimmen, aber trifft zu kurz.  Schlussendlich hilft aber wohl alles Verkleiden nicht. Denn irgendwann passiert einem eine Unbedachtsamkeit, und die Sonnenbrille oder Maske rutscht vom Gesicht.  Soweit ist es schon! Nicht jeder erträgt dieses Gefühl ohnmächtigen Ausgesetztseins.
Nun, ich bleibe bei meinem Stil. Jenseits der 75 sind die Risiken überschaubar.  Aber wenn ich noch 25 wäre, ….  . Altersunabhängig möchte ich den Artikel jedem zur Lektüre empfehlen.
Zitate aus
Jörg Häntzschel im Feuilleton der SZ, Nr. 157, Freitag, 11. Juli 2014