Natürlich ist der Februar keine günstige Reisezeit. Aber muss deshalb gleich die Marienkirche geschlossen sein und die Stadtführung ohne weitere Begründung ausfallen? Also sehe ich mich an diesem nasskalten Februarsonntag selbst um und begegne auf den nahezu ausgestorbenen Straßen mehrmals jungen Paaren mit kindern und Kinderwagen und alten Männern mit Hund. Sonst nichts.
Bis auf die Kornmarktkirche – aber die habe ich ja bereits gesehen – ist keine der elf Kirchen geöffnet. Aber das neugierige Auge kommt mit Portalen, Toreinfahrten, Fachwerkpracht und schönen Straßenensembles auf seine Kosten.
Bekanntlich gibt es je nach Gesinnungslager von Thomas Müntzer entweder böse Fratzenoder bedeutungsvoll überhöhte Bildnisse. Ein wirkliches Porträt ist nicht bekannt. Die Sandsteinstatue vor der westlichen Stadtmauer ist harmlos allgemein gehalten. Fast schaut er aus wie ein kleiner Luther. – Auch von seinem Predigerkollegen Heinrich Pfeiffer gibt es wahrscheinlich kein autentisches Porträt. Allerdings hat der Künstler, der 1988 die Bronzebüste vor der Allerheiligenkirche geschaffen hat, die eindrucksvolle Interpretation eines asketisch knorrigen und willensstarken Mannes gezeichnet, der sich nun auf dem Wege zum Schafott mit leidend resignierten Zügen in das Unabänderliche fügen muss.