Buchpassagen zu Christian Bachmann

Teuthorn, Peter: Erinnerungen an Großmutter Erica, 1885 – 1970 / Ihre Zeit und ihre Familie, Selbstverlag, Gilching 2012, 175 Seiten; S. 11-15.
[Aktualisierungen gegenüber dem Manuskript sind farblich hervorgehoben.]

Elternhaus

Zur Familie Corvinus habe ich mich bereits früher1 geäußert. Der ältes­te bisher erforschte Vorfahr dieser Corvinus-Linie ist der Willmenrod­er Pfarrer Friedrich Wilhelm Corvinus. Nach zwei Generationen von Steuereinnehmern, einem Apotheker und dessen Tochter sind wir in der sechsten Generation bei Erica.
Im Gegensatz zu den Corvinus kamen die Bachmanns aus einfacheren Verhältnissen in Groß-Schneen bei Friedland. Als im Herbst 1818 ein Husar durch den Ort ritt, ließ er die 21jährige Sophie Wilhelmine Bachmann mit dem Mitte 1819 geborenen späteren Restaurateur und Tischler Johann Heinrich Ludwig zurück. Dieser würde künftig den Namen seiner Mutter führen. Sein Sohn Franz Christian Friedrich Bachmann wurde 1859 in Göttingen geboren und heiratete im Mai 1885 die Apotheker­tochter Corvinus. Bereits kurz nach der Hochzeit zogen die jung Ver­mählten nach Stettin, wo ein Jahr später Erica in die vorpommersche Welt kam.

1Teuthorn, Peter: Die Familie Corvinus – Leben und Legende, in Der Herold, Neue Folge Band 17, Jahrgang 52 (2009) Heft 1-2/2009, S. 405-415.

Photograph

Christian Bachmann war in einer Zeit aufgewachsen, in der sich ein aufregend moderner neuer Beruf herausbildet hatte und ein lukratives Ge­schäftsfeld versprach, der Fotograf und das Produkt Bild. Wenn man das Aufre­gende dieser neuen Technik für uns Heutige verständlich ma­chen will, muss man vielleicht auf Entwicklungen wie iPhone und iPad blicken. War das Porträt-Sitzen vorher nur vermögenden Leuten vorbe­halten ge­wesen, die sich in Öl abbilden ließen, so konnte sich nun ein breites Publikum ein Porträt leisten. In den großen Städten schossen Fotoate­liers aus dem Boden. Viele Künstler versuchten am wirtschaftli­chen Aufschwung des neuen Gewerbes teilzuhaben und wechselten in den Fotografenstand.1 Umgekehrt fühlten sich die Fotografen als Künstler.
Ein Fotografieprojekt, das die frühen Ateliers aufarbeitet, hat für Berlin bereits zwischen 1870 und 1890 die schier unglaubliche Zahl von 800 Studios mit Konzentration im Stadtzentrum gezählt.2 Diese Unterneh­men beschränkten sich nicht auf das Porträt, sondern boten auch Kunst­reproduktionen oder Ansichten von Sehenswürdigkeiten. Gemalte Ku­lissen, Vorhänge, Mobiliar und weitere Accessoires gehörten zur Aus­stattung eines Ateliers.
Nach den derzeit ausgewerteten Adressbüchern hat Christian Bachmann bereits vor seiner Heirat in Stettin gelebt. Bereits in den Jahren 1881 und 1882, damals also etwa 22 Jahre alt, ist er dort jedenfalls schon als Fotograf in der Passauer Straße 3 IV. Stock gemel­det, 1883 in der Kurfürstenstr. 14  II. Stock. Seit 1899 ist er Inhaber des Ateliers für Photographie Möllendorf & Bachmann in der Mönchenstraße 22-21. Damit liegt das Geschäft sehr zentral direkt zwischen Roßmarkt und Jakobikirche. Bachmann hatte das Fotostudio wohl bereits 1896 übernom­men, behielt aber den bereits eingeführten Namen bei. Auf einer über­lieferten Lithographie von vor 1894 wirbt das Unternehmen mit der Auszeichnung Silberne Medaille Internationale Weltausstellung Brüssel 1888.
[Neue Recherchen führten zu einem Kontakt mit dem Autor Richard Halabura, der die Geschichte des Unternehmens ausführlich darstellt und sich bei seinen Datierungen auf seinen reichen Bildbestand stützen kann. Siehe http://www.zaklady-fotograficzne-stettin.com/page390.html.]
Die meisten älteren Porträts aus der Bachmann-Familie stammen aus Christian Bachmanns Atelier. Für seine fotografischen Ansichten und örtlichen Sehenswürdigkeiten fand ich ein Ansichtskartenbeispiel und einige Fotos auf einer charmanten polnischen Internetseite zu Mes­senthin.3

Abbildung 2: Ölporträt Franz Christian Friedrich Bachmann (1859-1938) (c) siehe unten.

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Beruflich porträtierte Christian Bachmann eine Kundschaft, die sich vielleicht nur dies eine Porträtfoto leisten konnten, als Privatmann ließ er sich selbst in Öl porträtieren. Das Gemälde kam nach dem Tode Bachmanns in den Besitz seiner Tochter. Heute gehört es einer Kousine des Autors.

Abbildung 3: Das Atelier für Photographie befand sich in der Mönchenstr 20-21. Auf der Medaille der Hinweis ‚Silberne Medaille Internationale Weltausstellung Brüssel 1888‘.

Die Vermögens- und Wohnverhältnisse der Eltern müssen recht groß­zügig gewesen sein. Denn die Bachmanns wohnten in Stettin, ver­brachten die Sommermonate in ihrem Sommerhaus im nördlich von Stettin gelegenen Messenthin und besaßen dort offensichtlich außer­dem noch ein Haus, das vermietet war. Denn als Erika und Emil 1919 aus Afrika ausgewiesen wurden, fanden sie in einer dort freigeworde­nen Wohnung zusammen mit ihren drei Kindern ihre erste Bleibe in Deutschland. Später, als Erika in zweiter Ehe mit dem Apotheker Otto Brenning verheiratet war und Vater Bachmann bei Eintragungen ins Gästebuch von ihrem bescheidenen Heim spricht, vergleicht er es of­fensichtlich mit seinen eigenen großzügigeren Verhältnissen.

1http://www.berliner-fotografenateliers.de/index2.html (4.2.2012)
2
Ebd.
3
http://lazowski.szczecin.art.pl/police/fotografie/msciecino/msciecino-de.htm (4.2.2012)
(c) Peter Teuthorn. Das uneingeschränkte Bildrecht am Foto des Gemäldes liegt bei der Familie das Autors.
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