(Endgültige Druckversion im Stettiner Bürgerbrief 2017)
Seit dem 22. April 2016 ziert das Gelände des ehemaligen kleinen Messenthiner[1] Friedhofs an der Klonowa-Straße nicht nur ein eindrucksvoller Granit-Gedenkstein[2] für die hier bis 1945 beerdigten Einwohner, sondern etwas versetzt in Richtung Cisowa-Straße auch eine große Informationstafel zu Leben und Wirken des Fotografen Christian Bachmann und seiner Bedeutung für Messenthin. Und es schließt sich ein neues Straßenschild mit seinem Namen an.
In einer eindrucksvollen Einweihungszeremonie wurde am Vormittag dieses Apriltages zunächst der mit einer deutschen und einer polnischen Flagge bedeckte Findling durch den Pölitzer Bürgermeister Wladyslaw Diakun und die im Vorkriegs-Messenthin geborene Kristin Maronn[3] feierlich enthüllt. Anschließend entfernten Bürgermeister und Bachmann-Urenkel Peter Teuthorn in einer weiteren Enthüllung dann gemeinsam die das Bachmann-Schild schmückenden Banderolen in den deutschen und polnischen Landesfarben. Zuvor hatten Stadtverantwortliche und Priester beider Konfessionen das Ereignis in Reden gewürdigt und der hier Ruhenden im Gebet gedacht[4].
Auch Teuthorn wurde um einige Worte gebeten, die er nutzte, seine Bewunderung für das ihn überraschende große Interesse der heutigen Einwohner an der Geschichte des Ortes auszudrücken und dies als schönes Beispiel für die heute mögliche Verständigung in Europa auszusprechen. Bei einem anschließenden Mittagessen bestand Gelegenheit zu vertiefenden Gesprächen zur Geschichte Messenthins, zu ihrem fotografischen Chronisten und den heutigen Gegebenheiten.
Christian Bachmann hätte wohl kaum jemals gedacht, dass er ein Jahrhundert nach seiner Zeit für Messenthin eine solche Bedeutung haben würde. Er war ja schließlich zu seinen Lebzeiten keine Berühmtheit, sondern einfach ein erfolgreicher Geschäftsmann mit einer besonderen Liebe für den Ort. Die Erklärung liegt in seinen zeitgenössischen Fotografien, die den heutigen Bewohnern so wichtig sind, weil sie zeigen, wie es hier einmal war. Denn deren Eltern kamen ja durch Umsiedlung in ein für sie unbekanntes, nicht aber geschichtsloses Gebiet.
Bachmann war bereits in jungen Jahren nach Stettin gezogen und von Beginn an als Fotograf tätig. Er wurde zunächst Teilhaber des Fotoateliers Moellendorf & Bachmann, das er nach wenigen Jahren übernahm. Seit 1888 war die Geschäftsadresse in der Mönchenstraße 21-22, nahe am Dom. Der polnische Fotograf Richard Halabura hat zu den Stettiner Ateliers geforscht und diese mit einer sehr informativen und ansprechenden Internetpräsentation gewürdigt[5]. Neben schönen Fotobeispielen hat er auch biographische Daten gesammelt.
Christian Bachmann wurde am 6.7.1859 in Göttingen als Sohn eines Tischlers und Restaurateurs geboren. Am 2.5.1885 heiratete er die Apothekertochter Anna Corvinus. Das Ehepaar hatte drei Kinder, die alle in Stettin und Messenthin aufwuchsen. Christians Beruf fiel in die frühe Blütezeit der Fotografie. Hatten sich zuvor nur begüterte Leute ein gemaltes Porträt leisten können, so war das jetzt durch die Fotografie jedem möglich. In den Städten boomten die Ateliers. Während Bachmann in Stettin sein Geschäft im Wesentlichen mit Familienfotos und Porträts machte, widmete er sich auf dem Lande in Messenthin und Umgebung der Landschaft, Natur und Ausflugszielen. Das kommerzielle Produkt waren Postkarten. Christian starb am 13. Februar 1938 und folgte damit seiner Frau, die nur wenige Wochen zuvor, am 12. Dezember 1937, von ihm gegangen war. Die Stettiner Wohnung der Familie war mit der Atelieradresse identisch. Vor allem in den Sommermonaten lebten die Bachmanns aber in ihrem Haus in Messenthin in der Waldstraße. Dies ist auch die Sterbeadresse. – Da ich mich zu Christian Bachmann bereits recht ausführlich per Buch und Blog[6] geäußert habe, soll es mit den hier gegebenen biografischen Hinweisen sein Bewenden haben.
Wenn auch die nüchternen biografischen Daten, also Geburt, Ehe und Tod, einer Person noch relativ einfach zusammenzustellen sind, so ist es doch ungleich schwieriger, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges die Örtlichkeit und damit das Lebensumfeld der Einwohner Messenthins zu rekonstruieren. Das gilt für den Heimatforscher oder Stadthistoriker wie für die Nachfahren des Christian Bachmann gleichermaßen. Gemeinsam kommt man jedoch schneller voran. Um die Zeit vor 1945 rekonstruieren zu können hat Ewa Berecka die Vorsitzende des Stadtbezirks Messenthin, wo immer es möglich war, Fotoansichten vom Messenthin der Vorkriegszeit gesammelt und fand dabei besonders viele von Christian Bachmann. Eine große Unterstützung ist dabei Andrzej Kowalik. Unter dem Kürzel AK publiziert er seine Fundstücke und weitere Nachforschungen auf http://www.forum.police.info.pl/. Über eine Suchfunktion kommt man schnell zu den Ergebnissen.
Bachmanns Urenkel konnte neben überlieferten Familienfotos vor allem aus den persönlich erinnerten Erzählungen seiner Großmutter Erica schöpfen. Sie war das älteste Kind des Ehepaars Bachmann-Corvinus. Wenn später bei Familientreffen die Rede auf Messenthin kam, verklärte sich ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimme bekam einen träumerischen Klang. Messenthin füllte die Bilderwelt ihrer Jugend und war dann, solange die Eltern lebten, regelmäßiger Familientreff und ein Leben lang ihr Begriff für Heimat. Von dieser Welt haben die Kriegszerstörungen nicht viel übriggelassen. Aber aus den historischen Fotos, der historischen topografischen Karte, den erinnerten Erzählungen und zuletzt der nun aktuellen eigenen Anschauung entsteht doch eine recht gute Annäherung an das gesuchte Bild einer verlorenen Zeit. Es ist das Bild eines wald- und wasserreiches Paradieses, das Messenthin vor mehr als einem Jahrhundert für die Familie des Fotografen Bachmann war. Einiges davon hatte Tochter Erica in ihren frühen Ölgemälden[7] eingefangen. Aber auch ein zwischen alten Fotos gefundenes Gelegenheitsgedicht kann davon eine Vorstellung geben. Es geht um einen Spaziergang mit einem Kind (wohl Tochter Erica) zur Mückenmühle und zurück. Anhand der topografischen Karte lässt sich rekonstruieren, dass es für den Weg durch Natur und Wald direkt vom Bachmann‘schen Haus in der Waldstraße – heute Palmowa – durch den Stettiner Stadtforst zu dem kleinen Waldsee an der Mückenmühle hin und zurück jeweils etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten brauchte. Man lebte hier also inmitten der Natur.
Spaziergang
nach der Mückenmühle
2. Oktober 1891
Am azurblauen Himmelszelt
lacht Sonne heut so mild –
liegt doch auf stiller Herbstesflur
ein farbenprächtig Bild! –
[…]
Leichtfüßig eilt das Kind hinaus
in Gottes schöne Welt,
ein klares Auge voller Glanz
blickt über Wald und Feld;
[…]
Am Teich von Erlen grün umsäumt,
langt’s Kindchen munter an,
lenkt seinen Schritt zum luft’gen Quell,
erfreuet sich daran,
reißt mich mit seinen Händchen fort
und plaudert manches helle Wort.
Froh kehrt es heim, der Eltern Lust,
rotwangig zart geschmückt,
ein Pilzchen schnell sein Aug‘ erschaut,
und bald ist es gepflückt.
Das Dörfchen winkt, nun scheiden wir,
erhole dich und grüß‘ von mir.
(K. Sonnenberg)
Das bisher übersehene Laien-Gedicht wird mit Jahreszahl, Ortserwähnung und Landschaftsbeschreibung zusammen mit der topografischen Karte plötzlich zu einer wichtigen Quelle für eine Vorstellung von der landschaftlichen Idylle des Dorfes Messenthin an der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert.
Für eine der Nachfahrinnen Bachmanns erscheint es befriedigend, dass nun ein bis heute erhaltenes Ölporträt des Fotografen nicht nur ihr Haus im Odenwald schmückt, sondern eine ordentliche Kopie davon in beeindruckender Weise die große Informationstafel an der Klonowa-Straße prägt. Das Gemälde kehrt damit sozusagen virtuell an den Ort seines Entstehens zurück.
Peter Teuthorn
Dieser Text erscheint gleichzeitigim Blog des Pommerscher Greif e.V. Verein für pommersche Familien- und Ortsgeschichte und
im Stettiner Bürgerbrief 2017, ISSN 1619-6201, sowie
als PDF-Datei zum Download unter BACHMANN-Ehrung
[1] Messenthin = Mścięcino, Pölitz = Police [2] „In ehrendem Gedenken den Bewohnern von Messenthin und Police / die an dieser Stelle ruhen / Bürgermeister von Police / Rat des Stadtbezirks Nr. 1 Messenthin / Police – Messenthin 2016“ [3] Dr. Kristin Maronn ist eine leidenschaftliche Sammlerin historischer Ansichtskarten von Stettin und Umgebung und hat dazu mehrere Bücher veröffentlicht. Ihr Buch Stettin-Pölitz und Messenthin: Bilder, Dokumente, Chronik, Gedanken und Erinnerungen, Kiel 2000, ist leider vergriffen, jedoch über Bibliotheken zugänglich. [4] Während die Grabsteine nach Police in das Lapidarium im Park hinter der Kirche gebracht wurden, blieben die Gebeine der Verstorbenen hier unter dem früheren Friedhof. Auch der Grabstein des Ehepaares Bachmann-Corvinus befindet sich im Lapidarium. [5] http://www.zaklady-fotograficzne-stettin.com/page390.html [6] Hinweise unter http://teuthorn.net/feuilleton/?page_id=5477 oder teuthorn.net/feuilleton und Navigation:
Familie/Familie Bachmann-Corvinus/Messenthin & Chr. Bachmann/CBachmann-Event + Medien. [7] Beispiele und eine Kurzbiografie unter http://teuthorn.net/feuilleton/?p=5295