Reise mit den kleinen Töchtern zur Großmutter nach Kiel
Wer ist Petra Trenthorm? Die Überschrift bietet die Auflösung dieser korrupten (verdorbenen, fehlerhaften) Namensform. Sie ist keine Namensvariante des Namens Teuthorn sondern einer von vielen Lese- und Tanskriptionsfehlern. In dieser Reihe finden sich Lesefehler von Schreibern früherer Jahrhunderte, aber auch erst kürzliche Lesefehler, wie sie in erschreckend maßlosem Leichtsinn durch die unkontrollierte Indexierung in genealogischen Datenbanken fortlaufend erzeugt werden. Man könnte darüber schmunzeln, wenn dieser Unsinn es nicht erschwerte, häufig sogar verunmöglichte, wichtige Quellen und Bezüge aufzufinden.
Beim Stöbern in Internet und einschlägigen Datenbanken (Ancestry) finden sich bereits bekannte Begebenheiten, die in der Vergangenheit aufwendig recherchiert wurden, und neue, offenbar erst kürzlich digitalisierte Quellen. Sie umkleiden die genealogischen Kerndaten und laden zu kleinen Geschichten ein. Die durch einen aktuellen Fund ausgelöste Begebenheit – ich nenne es eine Episode – um meine Großtante Petra Teuthorn ist schnell erzählt:
Die Amerikanerin Petra Hessel, geborene Teuthorn, fährt am 15. April 1905 mit ihren Kindern Anna & Fanny (sic, später schreibt sie sich Fannie) auf dem HAPAG-Dampfer Patricia von Hamburg/Cuxhaven über Dover, Boulone-sur-mer nach New York. Die als Jugendliche ausgewanderte Petra ist 30, ihre beiden Kinder fünf und drei. Offensichtlich war sie bereits Ende Dezember 1904 in Deutschland angekommen. Ihr Reiseziel ist ihre alte Mutter in Kiel, die seit ein dreiviertel Jahren Witwe ist. Die nun 64jährige Henriette Wilhelmine Fanny° Teuthorn, geborene Nagel, sieht zum ersten und letzten Mal ihre Enkelinnen, die kleinen Amerikanerinnen Annie und Fanny Hessel. Fünf Jahre später stirbt die Großmutter.
Die Reise ist über die jeweiligen Passagierlisten gut dokumentiert. Aus den Listen und weiteren digitalen Quellen lassen sich Einzelheiten ablesen.
Schiffslisten entwickeln einen besonderen Reiz, wenn man sich auf die herauszulesenden Details einlässt. Nicht immer haben wir, wie in diesem Beispiel, Abfahrt- und Ankunftliste. Aus dem Kopf der Abfahrtsliste erfahren wir, dass der Dampfer Patricia am 15. April von Hamburg abging. Genau genommen gingen die Passagiere aber erst in Cuxhaven an Bord. Denn die Hapag, die Hamburg-Amerika Linie, hatte auf Betreiben ihres Passagedirektors und späteren Generaldirektors Albert Ballin ihren Liniendienst nach New York vom Hamburger Hafen in das zu Hamburg gehörende Cuxhaven verlegt. Die Passagiere wurden mit Sonderzügen zum alten Hafenbahnhof in Cuxhaven gebracht (Wikipedia 28.8.2023). In der Ankunftsliste von Ellis Island ist dann auch Cuxhaven der Einschiffungshafen.
Abfahrt Hamburg-Cuxhaven
Ankunft New York – Hoboken
Nach 12 Tagen auf See erreicht die Patricia am 27. April den Hafen von New York. Da die HPAG-Piers in Hoboken am Hudson liegen, bedeutet das nach dem obligaten Zwischenstop auf Ellis Island für Petra und die Kinder die direkte Ankunft zu Hause. Denn sie wohnen knapp hinter den Piers in der Hudson Street 78. Bequemer geht es nicht. Zehn Jahre zuvor war Petra als Zwischendeckpassagier hier angekommen. Jetzt hatte sie sich die zweite Klasse leisten können. Petra reiste als Amerikanerin. Für ihren Mann fand ich den Einbürgerungsantrag vom 19. September 1899. Aus diesem geht hervor, dass er das Hotel in der Hudson 232/234 betrieb. Das große Eckgebäude an der Ecke 3. Street steht heute noch.
Damit endet hier die kleine Reisebeschreibung.
Ende der hier geschilderten Episode
Einige Beobachtungen zur Recherche in den digitalen Quellen
Die Suche nach Petra Hessel bringt bei Ancestry ein ansprechendes, übersichtliches und vor allem umfangreiches Ergebnis. Es lohnt sich ein Blick auf die rechte Spalte. Die vorgeschhlagenen Aufzeichnungen bringen relevante Treffer. An promineter Stelle zielt der erste Hinweis auf
Geneanet
Angezeigt wird Petra Sophie Friederike Teuthorn nach der Ancestry-Systematik. Das sind meine in Geneanet eingestellten Daten. Ganz unten führt ein Link dann direkt zu den Geneanet-Daten. Wie soll ich das beurteilen? Petra ist jetzt mit den von mir erforschten Daten im Netz sichtbar. Der fremde Forscher blickt nun direkt auf die von mir erforschten Daten, ggf. auch auf die damit verbundenen Medien und Quellen. Es wäre nun zu überprüfen, ob diese Daten auch aus Ancestry verschwinden, wenn ich von der Möglichkeit Gebrauch mache, sie völlig aus Geneanet zu löschen. Die Auswirkungen auf das Geneanet-Versprechen Geneanet respektiert die Genealogen: Sie sind und bleiben Eigentümer ihres Stammbaums und der Dokumente die Sie auf Geneanet geteilt haben (mehr erfahren). sind schwer zu beurteilen. Siehe auch
https://de.geneanet.org/nachrichten/post/2021/09/geneanet-schliest-sich-ancestry-an-dem-weltweit-fuhrenden-genealogie-dienst [Eine Nachfrage ergibt, dass die Ancestry-Indexierungsfunktion über die Vetraulichkeitseinstellungen bei GeneaNet abgewählt werden kann.]
Ancestry & FamilySearch
Da ich ein Minimal-Abonnement für Deutschland habe, sehe ich zum Beispiel die Hamburger Passagierlisten und auch die offenen Listen der in Castle Garden und Ellis Island ankommenden Passagiere, nicht aber die amerikanischen Quellen. Somit kann ich mir leider die Fälle Tewthorn und Trenthorm nicht ansehen. Wenn man aber weiß, dass Ancestry Dinge verbirgt, die bei FamilySearch offen liegen, dann finde ich die verkorkste Petra Trenthorm dort als Mutter der Annie M. Hessel. Allerdings mit seltsamen Angaben. Bei dem Geburtsort “Ire” für Mutter und Vater muss die Indexerin so wie beim Namen ebenfalls einen Bllackout gehabt haben. Auch die bei Ancestry nicht zugänglichen Volkszählungen (Census) kann ich bekannterweise bei FamilySearch einsehen.
Library of Congress
“Sophia Tiuthorn” führt auf die Bezahlseite von Newspapers.com. Ich versuche stattdessen die kostenlos zugängliche Library of Congress. Zwar bringt Tiuthorn auf die Schnelle kein Ergebnis, aber ich finde Petras Bruder Otto Er war am 1.6.1893 in den Staaten angekommen. Ende Dezember bietet er seine Arbeitskraft in Chicago als Gärtner an. “Junger gelernter Gärtner sucht bei bescheidenen Ansprüchen Beschäftigung.” Seine Adresse ist
281 Division Street. Das deutsprachige Abendblatt der Illinois-Staatszeitung bringt sein Inserat. Damit bin ich nun auf Ottos Anfangsschritten in den U.S.
Hinweis
- Eine Kurzbiografie der Petra findet sich in Die Familie Teuthorn-Nagel auf Seiten 144-148, für Otto auf S. 131- 142. Das Buch steht im Präsenzbestand der Kieler Stadtbibliothek. Weitere Fundstellen per KVK.
- Ausgewanderte Familienangehörige: http://www.teu-net.de/genealogie/geschichte/americanteuthorns.html#us
- Korrupte Namen früherer Jahrhunderte