Gefälschte Lebensläufe auf dem Sofa lesen

Vor ein paar Tagen ging es hier um das bequeme Lesen genealogischer Literatur, also vom Bedürfnis,  statt des Blicks auf einen Bildschirm eine herkömmliche  Zeitschrift in der Hand zu halten, wenigstens aber eine PDF-Datei auf Papier gedruckt zu lesen.  Der theoretisch formalen Diskussion kann nun die Praxis folgen.
Ich halte seit heute die jüngste Ausgabe von ‚Der Herold – Vierteljahresschrift für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften‘ in der Hand. Auf der ersten Seite (gleichzeitig Cover) prangt unser Corvinuswappen und leitet meinen abschließenden Aufsatz zu unserer urgroßmütterlichen Corvinuslinie ein.

Die Familie Corvinus – Leben und Legende, in  Der Herold, Neue Folge Band 17, Jahrgang 52 (2009) Heft 1-2/2009, S. 405-415.

Soweit die Zeitschrift. Im Folgenden nun zum PDF-Beispiel.  „Unwahrscheinliche Ahnenreihen, d. h. kaum glaubhafte Stammbäume, die in archaischen Zeiten oder Mythen wurzeln, […] hatten im 16. und 17. Jahrhundert Konjunktur.“ So beginnt die hier am 16. Juli vorgestellte Rezension zu Roberto Bizzochis Genealogie incredibili von 1995.  Die Rezensentin verweist darauf, dass  selbstverfasste Beweise nach dem Topos unerwarteter Quellenfunde üblich waren. „Wichtige dynastische, politische, konfessionelle und soziale Motive begründeten die ungeminderte Lebenskraft unwahrscheinlicher [mit gefälschen Quellen belegter] Ahnenreihen in der frühen Neuzeit.“ Die Übung, solche Abstammungen zur Legitimierung eigener Ansprüche zu übernehmen, war quer durch Europa üblich. Ich hoffe, Adels- und Dynastenforscher sind sich dessen bewusst!

Da ich in meiner obigen Arbeit ganz allgemein auf diese schon in der Antike übliche Praxis hingewiesen hatte,  bildet dieser Literaturfund mit seiner wissenschaftlichen Beweisführung eine schöne zusätzliche Untermauerung meiner Aussage.  Habe sofort über die Stabi bestellt. So gut haben wir es in München!