Der Digitale Suchschlitz: Open Archieven Nederlands & Belgien

Unsere niederländischen Nachbarn leben im genaealogischen Datenparadies, & wir dürfen daran teilhaben, sogar mit einer deutschsprachigen Benutzerführung. Der Zauberlink heißt www.openarch.nl.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt am 20.11.2020 überarbeitet.)

Lebenszeichen eines tot Geglaubten

Johann Wilhelm Ludwig [JWL] TEUTHORN wird am 4. Dezember 1805 vier Uhr nachmittags in Frankenhausen geboren und noch am selben Tag abends ‚in der Noth getauft‘. Eltern sind der Seifensieder Christoff Wilhelm Teuthorn und seine Frau Maria Catharina, geb. Hauthalin. Die Paten sind:

  • Johann Ludwig Börner, Bornherr und Seifensieder
  • Jungfrau Sophia Christiana Wilhelmine, filia des Kämmerers Johann Caspar Hauthal senior
  • Jungfrau Johanna Auguste Wilhelmine filia relicta Meisters seelig Andreas Teuthorns, des Seifensieders

Hatte JWL die Nottaufe überlebt? Wohl eher nicht, so folgerte wohl Wippermann, in dessen 1843 zur Familie Teuthorn herausgegebenen Stammtafel es zu Christoph Wilhelm TEUTHORN (1772-1839) heißt: „Von seinen 10 Kindern blieben ihm nur zwei Söhne“. Da Wippermann sich auf die Datenlage von etwa 1840 stützte und er meist verlässlich ist, konnte bisher wohl davon ausgegangen werden, dass JWL zu den früh verstorben 8 Kindern gehören musste.

Nun belegt aber ein frischer Archivfund aus Amsterdam, dass die Befürchtung, der Knabe sei nicht überlebensfähig, voreilig gewesen war.

Die Suche in der Datenbank

Original-Scan vor dem Download mit der von mir in der Datenbank hinterlegten Transkription
Für den Download gibt es eine Formatauswahl.

Man gelangt ohne Umwege zum Suchschlitz. Nach erfolgreicher Suche kommt man über einen Permalink direkt zum Digitalisat. Das von mir gesuchte Dokument war über die angegebene Folio-Nummer schnell gefunden und direkt herunterzuladen. Mein – wenn man so will – Dankeschön bestand darin, meine Transkription in das angezeigte Leerformular einzugeben.

Das Dokument

Johann Ludwig Wilhelm TEUTHORN wird am 1. Juni 1827 für den niederländischen Rijks Zeedienst als Matrose 3. KLasse angenommen, und zwar für das Schiff Zeeland unter dem Kommando von Kapitän C. van de Sande. Er verpflichtet sich auf 5 Jahre.
Das Anmustern geschieht in Amsterdam, wo er auch zuletzt gewohnt hat.
Geburtsort Frankenhausen im Fürstentum Schwarzburg.
Als seine Eltern gibt er an: Philip (Teuthorn) und Maria Houta
[Philip ist jedoch sein Großvater Philipp Andreas T. Warum? Denn seine Eltern sind zweilelsfrei Christoph Wilhelm TEUTHORN (1772-1839) und Eva Maria Hauthal (1777-1859)]
Religion lutherisch. Körpermerkmale eine Elle sechs [ich nehme also an: 1.5 Ellen = etwa 1,72 m], blond, ovales Gesicht, rundes Kinn, blaue Augen, Haltung …, Kennzeichen keine, 20 Jahre alt. Direktlink

Die Familie

Der obige Fund belegt, das dieser Sohn 1827 noch am Leben war. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Wenn Wippermann, wie auch im Fall des nach Kiel ausgewanderten Wilhelm Günther den Verbleib abgewanderter Familienangehöriger kannte, war der Bruder wohl 1843 nicht mehr am Leben. Wenn dies nicht der Fall war, könnte JWL Teuthorn wenn auch nicht mit der Zeeland, dann vielleicht mit einem weiteren Schiff an einen uns noch nicht bekannten Ort des Erdballs gelangt sein, dort gelebt haben und gestorben sein. Seeleute – es ist Segelschiffzeit – können natürlich auch ‚auf See bleiben‘. Das erweckt Neugier auf das Schiff. Wohin konnte er mit der Zeeland gelangen?

Das Schiff

Die Niederländer sind große Seefahrer & Schiffbauer. Die hohe Zeit der Ostindienfahrer war 1827 schon Geschichte. Das letzte Schiff namens Zeeland, das auf der Route von Rammekens/Vissingen über das Kap der Guten Hoffnung nach Batavia/Jakarta eingesetzt wurde, war die 1783 im Auftrag der (Handels-)Kammer der Provinz Zeeland für die Ostindien-Kompagnie (Vereenigde Oostindische Compagnie = VOC) gebaute Zeeland. Das auf der Ostindienroute mit Ziel Batavia/Jakarta eingesetzte Schiff strandete auf der Rückfahrt von China am 22. Mai 1793 in einem Nordweststurm in der Tafelbai in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung. Alle Besatzungsmitglieder überlebten den Schiffbruch. Die Waren konnten von einem anderen Schiff übernommen werden.

Für mich bemerkenswert, weil es unser Vorstellungsvermögen stark fordert, ist die Zeit zwischen Abfahrt aus den Niederlanden und Ankunft in Batavia, auch die Tatsache, dass Händler, Unternehmer, Militärs das alles einfach so auf sich nahmen. Wer an der Kanalküste startete war je nach Wetterverhältnissen und Jahreszeit, allerdings mit einem meist vierwöchigen Zwischenaufenthalt am Kap der Guten Hoffnung, ein halbes bis ein dreiviertel Jahr unterwegs.

Ausschnitt aus einem Bild des Wachtschiffes Zeeland. Großzügig zur Verfügung gestellt durch https://www.hetscheepvaartmuseum.nl/

Ob Teuthorn je so weit kam, bleibt offen. Er heuerte auf einem späteren Schiff dieses Namens an. Es wurde als Doggerbank auf der Marinewerft in Rotterdam von P. Glavimans am 9. Oktober 1797 auf Kiel gelegt, am 3. März 1798 vom Stapel gelassen und anschließend verkupfert (Unterschiff). 1807 wurde es außer Dienst gestellt und als Unterkunftsschiff für die Marinesoldaten auf der Marinebasis Willemsoord genutzt. 1814 wurde es in Zeeland umbenannt und seit 1815 als Wachtschiff eingesetzt. Das ist nach der niederländischen Wikipedia: „Ein Wachtschiff – ein Schiff der Wache – ist in der klassischen Bedeutung eine schwimmende Kaserne in einem Marinehafen, vor allem für die Unterbringung von (Leicht-)Matrosen und Marinesoldaten.“ Im konkreten Fall schwamm es fest verankert am Ausgang des IYsselmeers bei der Marinebasis Willemsoord. Die beträchtlichen Abmessungen der Zeeland waren in Fuß 180 x 48 x 21½, die Bewaffnung bestand aus 68 Kanonen. (1839 wurde es in Nieuwediep abgewrackt.)


Erläuterungen zur Schiffszeichnung:
Wachtschiff Zr.Ms. „Zeeland“ [ex „Doggersbank“] vor Anker liegend. Zeichnung 68,4 cm x 56,7 cm, 1830, Autor: Haccou, Lodewijk Gillis , Inventarnummer A.2035(01)2 des Het Scheepvaartmuseum


Interpretation der Schiffszeichnung: Das abgebildete Schiff ist nicht mehr fahrtüchtig. Von der ursprünglichen Takelung sind der Fock- und der Kreuzmast entfernt worden, der Großmast wurde um die Bramstenge gekürzt und alle Rahen bis auf die Großrah entfernt, an der aber auch kein Segel angeschlagen ist. Diese Takelung wäre allenfalls noch für geringfügige Positionswechsel im und am Hafen brauchbar; sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass die Großrah nur belassen wurde, um als Kranbalken zu dienen, und das Schiff überhaupt nicht mehr aus eigener Kraft fahren konnte. – Der Rauch auf dem Bild stammt höchstwahrscheinlich aus der Kombüse, die im vorderen Teil des Schiffes hinter den Mannschaftsquartieren auf der Back untergebracht war und in der gerade das Essen für die Besatzung gekocht wird. Auffallend sind auch die nachträglichen Aufbauten über fast das gesamte Deck, mit denen zusätzlicher Unterkunfts- und Aufenthaltsraum geschaffen wurde, die das Schiff aber als Segelschiff fahruntüchtig machten, weil keine Bedienung der Segel vom Deck aus mehr möglich war. Das ist also eindeutig eine Hulk, ein stationäres, im Hafen fest verankertes Schiff; das erkennt man auch an dem als Anlegeplattform dienenden Floß, über das der Zugang zum Schiff erfolgt und das sogar mit einem Schilderhäuschen für einen Wachtposten ausgestattet ist. Möglicherweise stammt die Zeichnung aus der Zeit, als die Zeeland Unterkunftsschiff war. (Klaus Bailly 11/2020)

Mit dem Bau der Königlich-Niederländischen Marinebasis in Den Helder/Willemsoord wurde direkt 1813 nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft begonnen. Erst im Jahre 1827 war der Hafen komplett.

Schiffskameraden?

Aus einem niederländischen Genealogieblog:
Johan [van Haeften] meldde zich op 27 juni 1827 vrijwillig aan bij de Marine voor de tijd van acht jaar. Hij kon daar te werk gesteld worden als scheepsjongen. Zijn verdiensten bedroegen fl. 6,00 per maand. Johan begon zijn werk op ZM. Zeeland onder kapitein F.W.C. van de Sande. In 1829 werd hij gedetacheerd op het adviesvaartuig (bevoorrading) ZM Pellikaan. … (Dank für den Hinweis an Ralf Gräfenstein)

Einen interessanten Hinweis fand ich bei den Auswanderern aus Oldenburg. Theunis Hendrik SPIL heuert am 12. Mai 1827 als Schiffsjunge in Amsterdam auf der ZEELAND, also demselben Schiff wie Teuthorn, an. Das ist ein knapper Monat vor dessen Anheuern.

Natülich bleiben auch hinsichtlich der Familiengeschichte Fragen. Wer von Frankenhausen an die Küste ging, wollte nach Übersee auswandern. Dafür ist dieses Schiff ja nun nicht geeignet, aber es ist natürlich möglich, dass später ein Anheuern auf einem weiteren Schiff folgte, denn so wie Johann van Haeften kann auch JWL Teuthorn das Schiff gewechselt haben, um sein Glück wie andere Auswanderer in Übersee zu suchen. Möglicherweise werden uns mit zunehmender Digitalisierung weitere Funde zugänglich.

Aufbruchszeit in Frankenhausen

Wilhelm Günther wandert nach Kiel aus (1835), wird dort Amtschirurg, seine Enkel erfasst das Auswanderungsvirus und spült sie nach den USA. Für Christian David, den Mediziner, ist die Auswanderungsabsicht (1848) belegt, dessen Sohn Ottomar ist nach Auswanderung verschollen. Seine Schwester Pauline folgt dem Bräutigam 1859 in die Goldrauschregion Kalifornien. Der Leipziger Verwandte JAL Teuthorn stirbt vor 1787 in Batavia. JWL besteigt 1827 ein holländisches Schiff. Was ist los mit diesem Familienzweig im Frankenhausen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Natürlich gibt es darauf Antworten. Hier würden sie aber zu weit führen. Denn das ist eine eigene Geschichte.


Quellen-Links

https://www.nationaalarchief.nl/en
Nationaal Archief

https://www.openarch.nl/my/?lang=de&ibc=0.gc9665hlr75eedm9sg5hlm9h0d
Open Archieven / Verknüpfung mit genealogischen Tools

https://www.openarch.nl/search.php?name=Teuthorn&lang=de
Open Archieven / Sucherfolg

https://stadsarchief.rotterdam.nl/zoek-en-ontdek/archieven/zoekrestultaat-archieven/?mizig=236&miadt=184&miaet=54&micode=494-03.851-470&minr=8267550&miview=ldt
Permalink Joachim Teuthorn

http://resources.huygens.knaw.nl/das <http://resources.huygens.knaw.nl/das>
200 Jahre Schiffsbewegungen Niederlande-Ostasien 1595-1795

https://www.vocsite.nl/ <https://www.vocsite.nl/>
Die VOC-Site / Verenigde Oostindische Compagnie

www.marhisdata.nl <http://www.marhisdata.nl/>
Ziel ist es u.a., historische Daten über alle Handelsschiffe, die unter der Flagge der Nördlichen und Südlichen Niederlande und der (ehemaligen) überseeischen Kolonien fahren, für den Zeitraum ab dem Jahr 1813 zu sammeln, aufzuzeichnen und verantwortungsvoll zu verwalten.

https://www.maritimearchives.co.uk/lloyds-register.html <https://www.maritimearchives.co.uk/lloyds-register.html>
Auftragsforschung? Kein Impressum!

https://www.hetscheepvaartmuseum.nl/ <https://www.hetscheepvaartmuseum.nl/>
Das Schiffahrtmuseum Amsterdam / Wichtige Seite
Sehr entgegenkommend. Haben mir ein Foto des gesuchten Schiffs versprochen.

http://warshipsresearch.blogspot.com/2014/11/blog-post_60.html <http://warshipsresearch.blogspot.com/2014/11/blog-post_60.html>
Alama-Blogautor