CORVUS, der Rabe

Heute wird es etwas länger.
Bei Recherchen zur Revolution von 1848 fiel mir das Buch des begnadeten Plauderers Otto von Corvin “Ein Leben voller Abenteuer” in einem Nachdruck von 1924 in die Hand. Ich hatte es in der Bayrischen Staatsbibliohek bestellt, weil auf Seite 468 “auch ein anderer durchaus glaubwürdiger Mann namens Teuthorn” erwähnt wird. Es handelt sich um den auf Seiten der badischen Revolution aktiven Friedrich Philipp Bernhard Teuthorn (1820-1868). Allerdings soll dies hier nicht mein Thema sein. Jetzt geht es um den schwarzen Vogel. Ich lasse die Rabenmasche an dieser Stelle einmal fallen, weil sie möglicherweise in den nächsten 100 Jahren wieder ein verrückter Teuthorn, besser noch Bachmann finden könnte, um sie bei seiner Familienforschung genau an dieser Stelle wieder aufzunehmen. Vielleicht wird er das Rabengeheimnis dann endgültig lösen.

Zurück zum Buch, das unter meiner Leseausweisnumer immer noch im Ausleihregal liegt. Obwohl sehr amüsant zu lesen, gehört es doch zu jenen Büchern, die man nach Lokalkolorit, Belegstellen, zitierfähigen Stellen ausschlachtet und den nicht verwertbaren Rest dann ungelesen zurückgibt. – Schande über mein Haupt – Bevor das beim heutigen Stabi-Besuch geschehen sollte, blätterte ich es noch einmal durch und … biss mich am Eingangskapitel fest. Von Corvin erzählt dort von der Herkunft seiner Familie, und seine Geschichte – ich sagte ja schon, er sei ein Spitzenplauderer – liegt etwa in einer Ebene mit Großmutter Erikas Blaues-Blut-Phantasien. So drastisch kommentierte unsere Familie jedenfalls ihre Erzählungen aus alter Vergangenheit.

Auch Otto von Corvin bleibt uns jeglichen Beleg schuldig, aber seine Geschichte geht dafür auch nicht nur auf den Ungarnkönig Matthias Corvinus zurück – wie es sich bei Erikas Mutter und Onkeln überliefert hatte – sondern beginnt sogar bei den Römern, und zwar wie folgt:
“Meine Familie leitet ihren Ursprung von dem altrömischen Patriziergeschlechte der Valerier ab, und namentlich von Marcus Valerius, der sich den Beinamen Corvinus erwarb. Während er – 349 v. Chr. – mit einem gallischen Goliath kämpfte, setzte sich ein Rabe (corvus) auf den Helm meines Ahnherrn und half ihm mit Schnabel und Krallen. Von diesem Vorfall stammen unser Name und unser Wappen, ein Rabe mit einem Ring im Schnabel.”

Dann geht es über Kroatien – wir sind nun schon im Mittelalter – nach Siebenbürgen, wo Schloss Hunyad erbaut wird und von Corvin auf geschichtliches Terrain kommt, nämlich die Vorfahren des charismatischen Ungarn-Königs Mathias Corvin (1443-1490). Zu Mathias einzigem, aber unehelichen Sohn heißt es “die Tochter eines Bürgermeisters von Breslau gebar ihm einen natürlichen Sohn Johannes Corvin.” Nach dem Satz “Herzog Johann fiel später im Kampf für seine behaupteten Ansprüche.” schafft von Corvin mit dem Wort ‘Unsere’ dann die Verbindung zu seiner Familiengeschichte, nämlich “Unsere Familie siedelte dann nach Polen über, wo sie schon unter König Wladislaus […] Verbindungen ange­knüpft hatte.”

Mit seinem Urgroßvater, der sich Ende des 17. Jahrhunderts in Preußen ansiedelt, betritt von Corvin nun wirklich festen Boden. Sein Großvater diente unter dem Alten Fritz als General des Kürassierregiments der gelben Reiter. Und damit sind wir in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.

Am 18.9.1834 stirbt in Weißenfels der preußische Obersteuerkontrolleur Johann Ludwig Corvinus, dessen Vater schon zu Zeiten des Alten Fritz Accise-Einnehmer in Berlin gewesen war. Er ist der Spitzenahn unserer Bachman-Corvinuslinie.

Bitte denkt nicht, dass ich mich jetzt vom Saulus zum Paulus entwickle. Nein, aber erstens steckt nach einer alten Volkswahrheit in jeder Geschichte ein wahrer Kern und zweitens macht es schon nachdenklich, dass sowohl bei Otto von Corvins Vorfahren als auch bei Anna Corvinus (Erikas Mutter) Berlin und Friedrich der Große eine Rolle spielen.

Lotte Kagermann, geborene Corvinus – immerhin eine Lehrerin – hatte noch aus dem Gedächtnis wie folgt erzählt: “Unsere ungarischen Urahnen. Matthias Corvinus war der erste König von Böhmen und Ungarn. Aus seiner legalen Ehe stammen keine Nachfahren. […] Also entstammen wir einer illegalen Linie. Zur Zeit Friedrichs des Großen floh ein Corvinus nach Deutschland. Er hatte einen politischen Mord auf dem Gewissen. Großmutter Ericas Großvater Corvinus besaß eine Apotheke ….”

Bevor es etwas gruselig wird, knüpft auch Lotte Corvinus mit dem ‘also’ ganz selbstverständlich an die Ungarnlinie an. Zum Foto (oben) des Wappenabdrucks sagt Lotte: “Hugo-Matthias wurde wieder Apotheker, […]. Er besaß das Original-Wappen und den Original-Goldenen Ring mit dem Wappen, ebenso das oben erwähnte Bild.” Von Corvin hatte dazu gesagt: “Von diesem Vorfall stammen unser Name und unser Wappen, ein Rabe mit einem Ring im Schnabel.”

So, hiermit soll es nun aber sein Bewenden haben. – Nur soviel möchte ich noch anmerken, damit ich nicht der Verfestigung einer Legende geziehen werde: Es ist ja bekannt, dass der Adel seine Herkunft aus Prestige- und Legitimationsgründen möglichst weit, am besten auf in der Geschichte berühmte und bekannte Persönlichkeiten zurückzuführen versuchte. Dazu schreckte man auch nicht vor dem Fälschen von Stammbäumen zurück, einem sehr alten Geschäft. Ich habe vor längerer Zeit einmal über Pyrrhos, König von Epeiros und Namengeber für den Pyrrhussieg, gearbeitet. Zu seiner Zeit war es wichtig, nicht nur von Alexander dem Großen, sondern Achilleus abzustammen. Der epeirotische König hat das erfolgreich nachweisen lassen.

Und was haben die Corvinus-Nachfahren von all dem? Auf auf nach Ungarn!

PS.
Zu von Corvins erstem Kapitel – Siehe auch TeuNet

1 thought on “CORVUS, der Rabe”

  1. Christina kam heute mit einer Reihe von Informationen aus Budapest zurück. Danach scheint es sicher, dass das überlieferte Wappen eine Erfindung ist. Ein
    Corvinus-Wappen findet sich an der Hunyad-Burg.
    PTkjhpk

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