Digitales Lesen – Neue Medien im Alltag

Als ich heute in die Stadt fuhr und mein Blick die Mitfahrer in der S8 aufmerksam scannte, rutschte mir plötzlich ein älteres Bild zwischen die frischen Eindrücke.

Enge auf den Sitzen, die Süddeutsche auf dem Schoß, auch mein Gegenüber liest SZ, und dann der Moment kunstvoll geschickten Umblätterns des Großformats mit kurzem gefährlich anmutenden Ausgreifen der Arme, schnellem vergewissernden und entschuldigenden Blick zu Sitznachbarn und Gegenüber. Geschafft!

Mein Rundblick heute trifft kein raschelndes Papier, aber auch keine Blicke. Denn diese sind auf die Displays von Smartphones, Tablets und ebook-Readern gerichtet. Der eigene Blick auf die digitale Sueddeutsche (SZmobil), die nun sehr handlich ist. Und wenn man beim Umblättern der Printausgabe – ob man es wollte oder nicht – noch diesen kurzen Blick mit seinem Gegenüber wechselte, vielleicht auch ein leichtes ‘Pardon’ murmelte, sind solche unnötigen Ablenkungen nun Vergangenheit.
Auf meiner Fahrt habe ich inzwischen vom Smartphone und SZ-Feuilleton zum ebook-Reader mit Mark Twain gewechselt und erfreue mich dessen genealogisch phantastisch-ironischer Autobiographie (“Eine skurile Autobiografie”).

“Ich kam ohne Zähne auf die Welt ….”
“Meine Eltern waren weder besonders arm noch besonders ehrlich.” usw.

Nichts und niemand unterbricht die Konzentration auf den Bildschirm. Fast! Denn plötzlich verdrängt die durchdringende Stimme der Dame drei Reihen vor mir meine Aufmerksamkeit für den amerikanischen Schriftsteller mit läppischen privaten Erlebnissen und Beziehungstratsch.  Ihr stummer Gesprächspartner ist ein Mobiltelefon.
Der Zeitungsredakteur und spätere Erfolgsautor Mark Twain hätte ein solches Szenario selbst mit viel Phantasie kaum erträumen können. Wenn aber, wäre ihm unsere schöne neue Welt sicherlich zu einem glänzenden Satirestück geraten.
Nicht nur um meine tatsächliche ebook-Lektüre zu beweisen, sondern auch um bei Vroni und anderen Plagen bestehen zu können, nenne ich widerwillig zwar, aber dafür um so genauer meine Quelle. Es ist

Mark Twain: Die Schrecken der deutschen Sprache, Geschichten aus Deutschland, eBook.de Edition, Hamburg 2012, Seite 10 von 128.

Dies ist übrigens mein allererster Versuch mit einem ebook-Zitat. Falls jemand unerwarteter Weise diesen Artikel in 30 Jahren zum Anlass nehmen sollte, mir die Seriosität als Blogger und Genealoge abzusprechen, so erwarte ich keine solche, bitte aber trotzdem schon jetzt vorsorglich um Nachsicht. Eines ist aber klar, künftig werden wir eine Zunahme dieser Quellengattung erleben.
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