WLAN-Störerhaftung und die Angst vor dem Fremden
WLAN-Störerhaftung. Was für ein Wort, und was bedeutet es? Am leichtesten erklärt es sich aus eigenem Erleben. Wenn ich auf der Kanareninsel El Hierro in ein Café oder Bistro gehe, bekomme ich umstandslos den WLAN-Schlüssel des Lokals. Das ist so selbstverständlich wie der Gang zur Toilette. Während ich meinen Kaffee trinke, gehe ich mit Handy, Laptop oder Tablet ins Netz. Dass das in Deutschland so einfach nicht geht, liegt an diesem juristischen Wortungetüm, der WLAN-Störerhaftung. Der Wirt in Deutschland muss befürchten, wegen möglicher Internet-Vergehen seiner Kunden Strafverfolgung auf sich selbst zu ziehen. Wegen einer organisatorisch aufwendigen juristischen Absicherung verzichten viele dann lieber auf eine theoretisch zwar mögliche, aber umständliche und risikoreiche Lösung. Christian Heise thematisiert das und mehr in der SZ vom 23. April. (Siehe unten Bericht 1)
Die Furcht vor dem unbekannten Fremden – das gilt nicht nur für Menschen sondern auch für Dinge – äußern besonders häufig uninformierte und geringer gebildete Menschen und über diese Gruppe hinaus wiederum Ältere. “Was soll das neumodische Zeug?”
Und was hat das alles mit der Familienforschung in Deutschland zu tun?
Sehr viel, denn solange Netzpolitik und digitaler Wandel nicht politisch vorangetrieben und besonders das Segment der älteren Bürger nicht stärker positive Beachtung findet, bleiben Unsicherheit, Angst vor Datenmissbrauch und eigene Unbeholfenheit ein riesiges Hindernis dafür, alle Möglichkeiten und Erleichterungen zeitgemäßer Forschungswege zu nutzen. Wer hier mitliest, wird sich zu Recht nicht angesprochen fühlen. Nein, das Problem sind diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund der zurückhaltenden und gebremsten Haltung von Politik und Institutionen nicht mitgenommen werden auf dem notwendigen Weg in die digitale Zukunft. Deshalb müssen wenigstens die Netzaktiven helfen, Vorurteile abzubauen und helfende Hinweise zu geben. Wenn man sich bei diesem Versuch, wie mir geschehen, sagen lassen muss: “Sie werben ja für “Teufelszeug”, und ich dachte immer, Sie seien ein seriöser Forscher”, dann darf einen das nicht entmutigen.
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Beitrag 1: “Böses Netz” betitelt Christian Heise in der SZ vom 23. April sein Statement zum Stand der Netzpolitik in der Bundesrepublik. Es herrsche eine Abwehrhaltung gegen die digitale Transformation, der schnelle und flächendeckende Netzzugang fehle, eine Mitnahme der älteren Bevölkerung finde nicht statt. Das Zurückbleiben bei der digitalen Kompetenz bedrohe die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-boeses-netz-1.2447111
Beitrag 2: Angst vor Fremden wird am stärksten dort geäußert, wo die wenigsten Fremden leben. Ein Kurzbeitrag von Christina T. versucht, Ursachen und Mechanik der Angst vor dem Fremden zu erklären. Die Kontakthypothese – Vorurteile sind dort stark, wo Menschen keine unmittelbare Erfahrung … gemacht haben – gilt meiner Erfahrung nach auch für die Furcht von Familienforschern vor wohl möglich nicht beherrschbaren digitalen Gefahren im Netz.
http://www.br.de/radio/bayern2/politik/dossier-politik/angst-vor-fremden-100.html