Das studentische Stammbuch, album amicorum, ist ein Quellentyp, der dem Familiengeschichtsforscher nicht sehr häufig begegnet, aber sehr schön zu Datierungsfragen herangezogen werden kann. Darüberhinaus können Stammbucheinträge Farbe in das Leben des Probanden bringen.
Manchmal sind sie so umfangreich und anspruchsvoll, dass sie den Status eines Kunstwerks erlangen. Ein etwas abgehobenes Beispiel dafür sind die zwei Alben des Jenaer Amtsschössers Burchard GROßMANN, der wohl bereits als Amtsperson, also nach seinem Studium, an den Orten seiner Studien Leipzig und Jena, außerdem auf Reisen, Einträge von Studenten und anderen sammelte und dabei besonderen Wert auf künstlerische Beiträge legte.
Auch Georgius TEUTHORN, Sohn des Eislebener Ratsherrn und Richters Georg Teuthorn, hat sich bei Großmann Anfang April 1640 verewigt. Der Jurist hatte bereits seine Dissertation vorgelegt und in den Lehrkörper der Universität eintreten sollen, als er im Juli 1640 plötzlich im Alter von 27 Jahren verstarb. Das aus einer Leichenrede bekannte Todesdatum ist – wie auch in weiteren Fällen – im Beitrag mit einem nachträglichen Zeicheneintrag vermerkt.
Der Eintrag Teuthorns befindet sich links neben dem bereits 1624 von Casparus Trost gemachten Eintrag, von dem auch die Notenzeile stammt: „hab ich, Casparus Trost […] componirt und geschrieben […] 3. Maii 1624.“ – Teuthorns Eintrag beginnt mit „Omnia facienda sunt, ut amici simus“ (etwa: Alles gelingt, wenn wir Freunde sind) mit wohl anschließenden Zitierkürzeln*. Weiter unten wird Dn. Burchard Großmann als Gönner gelobt. Durch den Eintrag ist Teuthorns Unterschrift mit dem Zusatz Isleb.[ien] Saxo.[nia] erhalten. Das Kreuz mit der Jahreszahl 1640 wird von Großmann eingefügt worden sein.
Die mehr als 800 Einträge der beiden Alben Großmanns können über die Europeana-Datenbank eingesehen werden: http://www.europeana.eu/portal/search.html?query=burchard+Grossmann . Ein Blick lohnt sich auch wegen der vielen Einträge mit Wappenzeichnungen.
Ein Jahrhundert später sehen die Einträge bereits ein wenig abgeschliffener aus. Das ist jedenfalls mein Eindruck unter http://digibib.ub.uni-giessen.de/cgi-bin/populo/stb.pl?t_tunnel=idn&present=auto&idn=PND:131462040. Dort Lebensdokument ansehen! Hier begegnet uns der Giessener Regierungsadvokat Christian Ludwig Teuthorn**. Wenn auch die Einträge meist lediglich Poesiealbenqualität und damit nur geringen Aussagewert haben, wird doch der Freundeskreis sehr schön sichtbar.
Hier, in der Giessener Darstellung, lohnt sich auch ein Blick auf die Einführung mit informativen Aussagen zur Quellengattung***. Eine gute Beschreibung findet sich auch in Wikipedia unter Album Amicorum. Der Webauftritt Repertorium Alborum Amicorum bietet ein großes Findbuch. Aber wie es so ist, findet die sperrige Suchmaschine meine oben dargestellten Beispiele nur umständlich, gar nicht oder unvollständig.
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*) Diese beziehen sich möglicherweise auf Seneca – Epistulae morales ad Lucilium.
**) http://www.teu-net.de/genealogie/geschichte/hessen/HessTeu.html#lct
***) Als PDF-Dokument liegen zum Thema eine Arbeit von Silke Moning vor: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2010/7377/pdf/UB_Festschrift_2007_120_144.pdf sowie ein Aufsatz von R.A. Fritzsche: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2005/2591/pdf/Ludo1-Fritzsche-5-9.pdf.
Siehe auch den neuen Beitrag: https://www.compgen.de/2021/01/album-amicorum-stammbuch-freundschaftsbuch/