Urheberrecht & Textrechte – ein ständiger Balanceakt …

… am Beispiel von Fritz Roths ‘Restloser Auswertung von Leichenpredigten’

Wer als forschende Privatperson seine Erkenntnisse für die Gemeinschaft der Mitforschenden in ideeller Weise (also ohne kommerzielle Vermarktungsabsicht) veröffentlichen möchte, sieht sich nicht nur e i n e r, sondern einer Reihe von H ü r d e n ausgesetzt, die ihn in aller Regel frühzeitig zum Aufgeben bringen und folglich v e r s t u m m e n lassen. Es sind B a r r r i e r e n, die die aus gutem Grund bestehenden aber unter Umständen aus Ängstlichkeit und Unwissen auch nur angenommenen Rechte anderer an vorangegangenen Publikationen aufrichten. Denn die wenigsten Familienforscher werden ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, aus der Fülle der Rechtsverordnungen für ihr Vorhaben die richtigen Schlüsse zu ziehen. Auf meinen Computern vegetieren aus diesem Grund eine Anzahl angefangener, abgebrochener oder sogar fertiger unveröffentlichter Arbeiten vor sich hin.

Beim Aufräumen solcher aus diesen Gründen bei mir geparkter Dateien, stieß ich gerade auf meinen folgenden Beitrag aus dem Jahr 2008. Ich hatte ihn nach Androhung einer kostenpflichtigen Abmahnung durch einen Sohn des Verfassers vom Netz genommen, inzwischen vergessen und (siehe oben) jetzt wieder entdeckt. Es geht um die wohl wichtigste Veröffentlichung des 1987 verstorbenen Genealogen FRITZ ROTH.

Beim Relaunch der Website der AMF (Arbeitsgemeinschaft für Mitteldeutsche Familienforschung) leuchtete dieser Fritz Roth als erster Vorstand des Vereins für die Jahre 1962-1964 auf.


Fritz Roth: Restlose Auswertungen von Leichenpredigten und Personalschriften für Genealogische und kulturhistorische Zwecke, Boppard a. Rh. 1959-1980, 10 Bände.


Roths Werk wurde in einer Gesamtauflage von 500 Exemplaren gedruckt. Es steht in vielen Bibliotheken. Einige druckfrische Exemplare aus Fritz Roths Nachlass können noch bei Stefan Roth erworben werden. [2011/09 von St. Roth, Bremen, mitgeteilt]

Jeder der Bände enthält 1000 LP, die immer laufend durchnumeriert immer mit einem R (für Roth) beginnen. Bd. 1 = R1-1000, Bd. 2 = R1001-2000, etc. Wer das Glück hat, LP bei Roth zu finden erspart sich das oft schwierige Besorgen der Originale und das anschließende Exzerptieren. Denn, soweit Lebensläufe beigegeben wurden, sind diese schematisch eingestellt, ebenso Vorfahren nach Kekule-System. Jeder Band enthält Namens- und Ortsverzeichnis. Was die Auswahl betrifft sind die LP allerdings, nach meiner Einschätztung, nach dem Zufallsprinzip gesammelt.
Im Folgenden habe ich für meine Arbeit bezüglich Frankenhausen zunächst die LP mit Erwähnung dieses Ortsnamens herausgesucht. Ich zitiere einige exemplarische Beispiele.

Bis hier der unveränderte Tabellentext ohne die seinerzeitigen Verlinkungen, gleichzeitig Ende des Beitrages aus 2008.


Worum ging und geht es?

Das Ziel meiner Veröffentlichung in Form der obigen Tabellen war es, die gefundenen LP für Frankenhausen zusammenzustellen und ihren Quellenwert für die Salzstadt am Kyffhäuser in zweifacher Hinsicht zu demonstrieren. Einmal ging es darum, mit den Auszügen aus den LP-Informationen die Lebensläufe von für die Stadtgeschichte wichtigen Personen zu ergänzen, zum andern am Beispiel dieser Sterbefälle aufzuzeigen, wie Krankheit, ohnmächtige Therapie und Mortalität in der fraglichen Zeit auch vor der priviligierten Schicht Frankenhausens nicht Halt machten. In den gesammelten Beispielen wird auch die gemeinsame Ohnmacht von Bader, Medicus und Priester vor Krankheit und Tod offenbar.

Um das aufzuzeigen hatte ich zu einigen Scans aus den Rothschen Bänden verlinkt (rote Ordnungsnummern in der Tabelle) und damit sicherlich die Grenze des Zitierens leicht überzogen (6 aus24). Die freundliche aber bestimmte Abmahnungsdrohung war die Folge.

Einen mir wichtigen Aspekt konnte ich allerdings umsetzen und unter http://teuthorn.net/feuilleton/?p=128 ausformulieren.

Zugang zum Werk

Fritz Roth war bereits am 1.12.1987 gestorben. Rund 200 Exemplare der zehnbändigen Ausgabe befanden sich nach Angabe des Erben im Jahre 2011 in Bibliotheken, die noch unverkaufte Restauflage in der Erbmasse. Diese verwerten zu wollen, ist durchaus verständlich. Der Preis war zu dieser Zeit mit 1700 € angesetzt. Dezeit wird das Werk bei Amazon für 1.400 € angeboten. Ein Einzelexemplar ist bei ZVAB bereits für gut 800 € zu erhalten.

Für diesen Preis lässt sich allerdings auch für Forscher ohne günstigen Zugang zu einer nahe liegenden Bibliothek eine mehrtägige Reise zur Quelle üppig finanzieren. Zum Beipiel wäre eine Reise nach Leipzig zu empfehlen, wo das Archiv der AMF über ein Exemplar ihres ersten Vorstandes verfügt.

Forschungsstelle für Personalschriften Marburg/Mainz

Seit Roths verdienstvoller Arbeit ist die Erschließung der Leichenpredigten nicht nur nicht stehen geblieben sondern bietet umfangreichere Erschließungen als sie vor 30 Jahren möglich waren. Dafür steht an erster stelle die Forschungsstelle für Personalschriften mit ihrem Katalog und verschiedenen Erschließungsansätzen. An das folgende Roth-Beispiel zu Anna Fischer schließt sich weiter unten zu ihr und Frankenhausen jeweils ein Beispiel heutiger Auswertungsmöglichkeit an.

“Über ihren Tod hat sie sich schon lange Gedanken gemacht …

Beispiel zur Systematik und Art der Darstellung.

Anna FISCHER (1565-1611), Ehefrau des Zollverwalters von Frankenhauen

… Ihren Wandel betreffend, haben andere junge Weiber in ihr einen rechten Ehrenspiegel gehabt, sie war sanftmütig und verträglich, sie war keine vorwitzige Umläuferin oder Mährträgerin, nicht wäschhaftig oder in Worten und Reden leichtfertig, sie, nahm sich fremder Sachen nicht an und hat die Klapperbüchse anderen überlassen. Sie wurde in der Kirche oft gesehen, auch bei den Wochenpedigten selten vermisst, ungeachtet ihres großen Haushalts, wogegen andere Weiber, die etwa eine Schüssel oder zwei daheim zurecht zu setzen haben, zu den Absentes (Abwesenden) gezählt werden.
Über ihren Tod hat sie sich schon lange Gedanken gemacht und hat Verordnungen für ihr Begräbnis getroffen, welcher Text gepredigt werden solle und welche Lieder man vor und nach der Predigt singen möchte, und so ist es auch gehalten worden.
Am gestrigen Tage ist sie gar sanft und stille von hinnen gefahren.”

GESA / Gesamtkatalog deutschsprachiger Leichenpredigten

Angaben zur LP auf Anna Fischer findet man in dem von der FORSCHUNSSTELLE für PERSONALSCHRIFTEN angelegten Katalog. Dort auch der Hinweis auf die Verzeichnung in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) mit dem erweiterten Hinweis auf ihre Stellung, nämlich Ehefrau des Amtsverwesers und Ratskämmerers Melchior Fischer.

Die Forschungsstelle stellt auch schon Eine digitale Edition autobiographischer Texte aus Thüringer Leichenpredigten bereit. Zu Frankenhausen/Rudolstadt findet sich dort zum Beispiel der Lebenslauf des Wilhelm Friedrich WERNERS mit seinem von ihm zwei Jahre vor seinem Tode selbst verfassten außerordentlich umfangreichen Lebenslauf.

Schlussfolgerung

Wie werden sich einmal m e i n e Erben verhalten? Darauf könnte ich mit einer CREATIVE COMMONS-Lizenz Einfluss nehmen. Leider sind diese Lizenzen in ihren Varianten für eine leichte Anwendung noch viel zu kompliziert. Da ist es fast einfacher selbst zu formulieren, dass dieser Text mit der zwingenden Auflage, den Autor zu nennen, für nichtkommerzielle Zwecke kostenlos weitergenutzt werden darf.

Wer die Roth’schen Leichenpredigten einsehen möchte, sollte – wie schon erwähnt – die nächstgelegene Bibliothek oder das Archiv der AMF in Leipzig besuchen.

2 thoughts on “Urheberrecht & Textrechte – ein ständiger Balanceakt …”

  1. Das vermaldeite “für nichtkommerzielle Zwecke” ist eben gerade nicht einfach. Was ist schon kommerziell, was nicht kommerziell? Ist eine Zusammenstellung alter Texte, die man zum Selbstkostenpreis druckt und verkauft “kommerziell”? Ist ein Blog, auf dem irgendwo auch mal eine Anzeige erscheint, um die Serverkosten zu decken, “kommerziell”? Ist ein Blog, der eventuell auch genutzt wird, um eigene Vortragstätigkeit bekannt zu machen, “kommerziell”? Und so weiter und so fort. Am besten ist es, Dinge, die keine wirklichen Werte darstellen, schlichtweg ganz freizugeben, wenn denn nötig mit der Auflage der Autoren-Nennung. Solange man keine Rechte an McCartney-Songs oder Loriot-Texten hat, ist die Spende an die Allgemeinheit denkbar gering, und erspart allen viel Aufwand. Wenn Leute wie der genannte Erbe ein von vornherein kommerziell völlig absurdes Projekt (eine mit Fleiß zusammengetragene Liste ohne jeden kreativen Wert und mit dreistelliger Zielgruppe für tausende von Mark in gebundenen Büchern verkaufen) nun selbst posthum noch mittels Abmahnungen zum Erfolg verhelfen wollen, sollte man sie schlichtweg mit Mißachtung strafen. Dann wird des guten Erblassers Werk halt noch viel schneller vergessen als es anhand der fortschreitenden Digitalisierung und wachsenden Informationsfülle ohnehin irgendwann passiert wäre.

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