…ein Stipendium im Jahr 1570 gestifftet, welches von ihm das Teuthornische genennet wird.

Auszug aus Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Band 42, J.H. Zedler, 1744

Die eigentliche Quelle / Das Teuthornianum

Woher hat Zedler sein Wissen? Obwohl wissenschaftliches Arbeiten verlangt, bis auf die eigentliche Quelle zurückzugehen, wird man regelmäßig dieses schon gängige Muster feststellen können, dass einer vom anderen übernimmt, ohne sich den Ursprung anzusehen. Da wir mit der Digitalisierung Zugang zu bisher schwer erreichbaren Werken bekommen, ist dieser Weg heute etwas weniger mühsam geworden. Also, blicken wir doch einmal direkt auf die Seite 117 aus des Johann Christoph Olearius ‘Rerum Thuringicarum Syntagma, Halle 1704′.

Wer noch Trümmer des Großen Latinums parat, vielleicht sogar einen Schein in Mittelalter-Latein gemacht hat, kann nun bezeugen, dass Zedler ordentlich gearbeitet hat. Höchstens Geld- und Münz-Sachverständige könnten die Nase rümpfen. Olearius redet 1704 vom Floren, Zedler 1744 vom Gulden (nicht so falsch) und Hiob benutzt das große R (nach meiner Interpretation) für ‘Reichsthaler’. Uns Familienforscher dürfte vor allem die Frage nach der Kaufkraft interessieren. Konnte man mit 30 Talern ein Jahr studieren? War es ein Zuschuss? Wieviel mussten die Eltern zusätzlich aufbringen? (Kleiner Tipp: die AMF hat gerade eine verständliche Abhandlung zu Geld- und Münzwesen onlne gestellt. Auch PT hat vor Jahren zum Thema dilettiert). So viel zur Quelle des Teuthornianum.

Beiläufig erfahren wir im Original des Olearius, dass auch Anna, Wittwe des Blasius Rinckleben, ein Stipendium nach demselben Muster stifftete.

Solche Aussagen sind natürlich für eine Zeit, aus der keine Kirchenbucheintragungen bekannt sind, wichtig und können familäre Zusammenhänge erhellen.

Im Stadtarchiv Bad Frankenhausen finden sich unter der Signatur 1/Va-1, Schulsachen, Gesuche um das Teuthorn’sche Stipendium (1584-1645). Darunter auch zwei Schreiben des Hiob Teuthorn, eines vom 23. August, das andere vom 11. September des Jahres 1585. Die Transkriptionsversuche folgen am Ende dieses Beitrags.

Was wir über Hiob Teuthorn wissen

Hiob war 1579 noch Schüler (Teutehorn) in der Königlichen Klosterschule zu Ilfeld. Bereits im selben Jahr ist er an den Universitäten Jena und Wittenberg (Deuthorn) immatrikuliert, 1584 dann in Leipzig. 1588 heiratet er Margarete, die Witwe des FU… aus Greußen. Die in meinen Unterlagen gefundene Notiz, er sei später Pfarrer in Immenrode/Sondershausen gewesen, lässt sich derzeit, auch mit Hilfe von Schwarmintelligenz, nicht erhärten.

Interpretation der Gesuche

Wie wir aus dem Auszug von Olearius wissen, wurden pro Jahr als Stipendium 60 Taler an zwei Studenten ausgeschüttet, so dass jeder 30 Taler erhielt. Einer der beiden Begünstigten des Jahres 1585 war Hiob. Er ersucht den Rat der Stadt, ihm den restlichen Betrag von 15 Reichstalern des Stipendiums, der nach der damaligen Regelung erst zu Michaelis (29. September) fällig wäre, schon früher auszuzahlen. Offensichtlich ist er in Geldnot und sucht seinen Wunsch mit Vorsorge für den herannahenden Winter zu begründen. Wie es scheint, hat er sich bereits verschuldet und hat Druck seitens seiner Gläubiger, was er in seinem zweiten Schreiben auch erwähnt.

Hiob bezieht sich bei seinem Wunsch, die zweite Jahrestranche von 15 Talern früher als Michaelis ausgezahlt zu bekommen, darauf, dass früher, also zu Beginn des 1570 gestifteten Stipendiums, die 30 Taler in einer Summe ausgezahlt wurden.

Was bedeutet aber seine Aussage:

„stipendium auf zweie termin ist erfolget: ist mihr doch be-
wust, dass es zur zeitt unseres vettern Stephan Teuthorn
seligens auf eine summa ist erlegtt worden, welche den auch“

In der von mir erforschten Zeit gibt es zwei Stephans. Um welchen handelt es sich hier? Ich sah mich in den Immatrikulationen um, und es schien naheliegend, dass es sich um den späteren Rektor der Gymnasien in Hannover und Riga handele, der 1574 in Wittenberg und 1578 in Königsberg eingeschrieben war. Das war in der Dekade vor Hiobs Ersuchen aus dem Jahr 1585.

“Vetter” / “seliger”

Der Verwandtschaftsbegriff Vetter wird ja nicht nur für eine enge Verwandtschaft, sondern innerhalb der Großfamilie durchaus in einem erweiterten Sinne gebraucht. Hatte sich Hiob tatsächlich auf den Studienkollegen bezogen, der die Unis rund eine Dekade früher besucht hatte? Wenn man nun lesen würde: Es begab sich aber “zur zeitt unseres vettern Stephan Teuthorn“, dann würde es sich nicht um den Mitstudenten, sondern die Stadtregierung handeln. Und ja, ein Stephan Teuthorn ist im Jahr 1570/71 und 1576/77 Bürgermeister in Frankenhausen, war also mit der Auszahlung der Stipendien befasst.

Die letzte Gewissheit aber gibt das kleine Wort seliger. Hätte ich es anfangs nicht übersehen, wäre mir ein Umweg erspart geblieben. Vetter Schulrektor ist noch bis nach 1600 im Dienst, also quicklebendig, der Bürgermeister aber nicht mehr unter den Lebenden. Genau das sagt uns das kleine Wort.


Gesuch vom 23. August 1585

1Meinen willigen Dienst derzeitt zuvor Erbare undt wolweise
2Bürgermeister günstige hern undt förderer. Nachdem mihr zu
3fellige ge…ste bottschaft vorgefallen, hab ich mihr können
4underlaßen an E.E. w[?] schriftlichen zu supplitiren undt
5der 15 R [eichstaler] hinderstelliges restes von wegen dieses stipendii an-
6zusuchen ungez … zuversicht ist worden ehe E. sich
7in dem unbeschwert erzeigen. Den ob wol der … Michaelis
8an welchem es vor dieser zeitt, mihr so wol als Heronymo Schneidern
9zugestellt worden ist, noch nich verfloßen, doch weil ich vor dieser
10zeitt noch vor… termin oft bin verhindertt worden, damitt
11ich förderlichem zu … ermeldenen geldts entweder in manglung ge…  …er
12botten oder aber durch ander .. ersuchen hab kommen mögen, verhoff
13ich es werde mihr ein E. rath in diesem gratificium undt nicht
14hinderlich sein. Den ob mich wol … erliche … sölch
15stipendium auf zweie termin ist erfolget: ist mihr doch be-
16wust, dass es zur zeitt unseres vettern Stephan Teuthorn
17seligens auf eine summa ist erlegtt worden, welche den auch
18noch ermelten restatoris … meinen brüdern itz eben nantens [?]
19gestalt ist gehalten worden, dass wen man des restatoris
20willen nachsetzen wollte, mihr der noch nicht verfloßene
21termin auf dem tag Michaelis, hinderlich sein könte. Doch
22wil ich alhier E.E. nichts vorgeschrieben haben oder
23sie dessen erinnern, dass ihnen viel besten  … den
24mihr bewust. Alhier bitt ich E.E. wollen sich
25itz unbeschwert erzeigen und mir die hinderfellig 15 R
26senden damitt ich mihr auf ein andere zeitt in manglung ge
27wisser und zufelliger botten eigens …  machen dürfft
28Sondern viel mehr mitt ernannten gehlt was mir gegen an
29kommenden wintter vonnöthen mitt rath und nutz einkauffen
30undt sche… möge. Solches verdiene ich mit meinem gebett
31umb E.E. glückselige regierung zeitliche und ewige
32wolfahrt iderzeitt willig undt gern. Göttlichem schutz bevohlen.
33Zu leipzigk, den 23. August anno 1585
34E.E. weißheit
35dienstwilliger
 Hiob Teuthorn

Zweites Gesuch vom 11. September 1585

Hiob Teuthorn, Francusanus, 1585
1Meinen willigen dienst derzeiztt zuvor erbare wolweise hern
2Bürgermeister günstige förderer. Es werden E.E. mein nechst
3… Schreiben  … sonders …. Von meinem Bruder Jacob
4empfangen haben undt desselben inhalts sich ersehen. Weil mihr
5Aber … daran gelegen, daß ich beides, meine Gläubiger
6auf itz kommenden W’schriebs richtig zale, nich weiß mihr sonst von
7nötten, mit ..ch schaffen möge: bitte ich nochmals E.E.  
8Wöllwn mich mitt den hinderstelligen 15 R so mihr noch vom
9Stipendio gebüren lenger nicht anph … sonders dieselbig meinem
10bruder Jacob auf meine handschrift umb quittung zusteellen
11welcher solch geld ohne allen lengeren verzug bey gewisser
12gelegenheit zu mihr zu schaffen weiß. Sölche geschicht mihr
13zu sonderlichen dienst undt förderung undt bin es nach ver
14mögen höchstes freißes derzeitt, insonderheitt mit meinem
15gebett umb E.E. umb derselbigen glücklicher regierung
16sampt zeittlicher undt ewiger wolfard
17Gott bevohlen. Dat. Leipzigk 11. Sept. ao 85
18E.E.
19Dienstwilliger
20Hiob Teuthorn
21Francusanus

Die Schlussfrage

Werden Reaktionen auf diese Veröffentlichung meine Kenntnis von Hiob Teuthorn erweitern?