Der Griff in mein Bücherregal (III)

Titelbild des eBook für starke 0,99 €

Theodor Fontane (1819-1898) ist einer der ganz Großen des deutschen Literaturkanons. Und das Wunderbare ist, dass seine Texte sich nach nun mehr als 100 Jahren noch herrlich frisch lesen, sein Humor uns auch heute noch zum Schmunzeln bringt und seine Meisterschaft, Personen zu beschreiben, uns seine Charaktere lebendig entgegentreten lässt. Das Schönste für den Genealogen und Historiker aber ist, dass wir durch seine Beschreibungs- und Charakterisierungskunst eine Vorstellung von Orten, Berufen, zeitbedingten Zwängen und gesellschaftlichem Verhalten vor Augen haben und somit über die Lektüre den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts erleben.
Geographisch gesehen liegt mit den Wanderungen durch die Mark Brandenburg der Erkenntnisgewinn für den Familienforscher natürlich in dieser Region.  Aber mit dem 1894 erschienenen Meine Kinderjahre kommt auch das pommersche Swinemünde in das Blickfeld.
1827 erwarb Fontanes Vater die Apotheke in Swinemünde. Die Familie blieb dort bis 1832. Meisterhaft beschreibt Fontane den Ort und den gesellschaftlichen Umgang seiner Eltern. Auch Theodor ergriff später wie sein Vater zunächst den Beruf des Apothekers. Damit gibt es natürlich viele gute Einsichten zu diesem Beruf.
100 Jahre danach zog meine Großmutter Erica nach Swinemünde. Die Stadt hatte sich sicherlich verändert, aber es war für mich nun hochinteressant, mich mit Fontanes Text in das alte Swinemünde zu versetzen. Wer die heute polnische Stadt besucht, dem gelingt es immer noch, sich mit Fontane im Gepäck im heutigen Swinemünde zu orientieren.
Mich hat aber an diesem Buch mit dem Blick des Genealogen noch etwas anderes fasziniert. Es ist sind die ersten 10 bis 15 Seiten mit der Erzählung von der Herkunft seiner Großeltern, französischer Hugenotten. Köstlich, wie sich sowohl  Großvater wie Großmutter in der Erinnerung eine Herkunftskette basteln, die mit großzügiger Unschärfe über gedachte Verwandtschaften zu Kardinälen und anderen wichtigen Persönlichkeiten letztlich zu einer bedeutsamen Ahnenkette führt. Das ist wunderbar beiläufig erzählt, leicht spöttisch, aber ohne zu verletzen, und erinnert uns natürlich sofort an den Stolz von Kollegen mit vermeintlichen (gelegentlich auch echten) Vorfahrenlinien zu Goethe oder Karl dem Großen.
Der Hammer kommt zuletzt. Meine Kinderjahre ist als epub-eBook zusammen mit dem Text Von Zwanzig bis Dreißig für  0,49 € zu erwerben.
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In der Reihe ‘Griff in mein Bücherregal’ auch:
I    Ulrich Wehler
II   van Dülmen
III  Theodor Fontane
IV  Historischer Stadbildatlas Kiel
V   Gustav Freytag
VI  Eric Hobsbawm